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Leitfaden Konstruktiv Kleben

Hinweise zu den Besonderheiten einer klebegerechten Gestaltung von Verbindungsteilen

Inhalt

  1. Konstruktiv Kleben
  2. Adhäsion und Kohäsion bestimmen die Festigkeit
  3. Belastung mit hohen Temperaturen
  4. Konstruktive Verbindungen

Konstruktiv Kleben

Zum konstruktiven Verbinden von Werkstoffen gibt es verschiedene Verbindungsarten, die alle ihre Vorzüge und Schwächen haben. Es lohnt deshalb sich im Vorfeld Gedanken zu machen wo die Vorteile und auch die Grenzen liegen. Von konstruktivem Kleben spricht man dann, wenn die Klebeverbindung Teil der Konstruktion ist und die Verbindungskräfte die Gesamtkonstruktion zusammenhalten und allen dabei auftretenden Belastungen standhalten müssen. Kleben zeichnet sich dadurch aus, dass die Verbindung über Flächen erfolgt und auftretende Kräfte gleichmäßig, ohne besondere Spannungsspitzen, verteilt werden können. Es können auch verschiedenartige Werkstoffe miteinander verbunden werden. Eine Klebeverbindung kann auch bei Raumtemperatur hergestellt werden. Die Verbindung ist in der Regel unsichtbar. Wer die Festigkeiten der Klebstoffe nutzen will, muss die Besonderheiten von Klebeverbindungen kennen und bereits bei der Konstruktion auf eine klebegerechte Gestaltung der Verbindung sowie auf eine klebegerechte Auswahl der Werkstoffe und deren Oberflächenbeschaffenheit achten. Die Verbindung erfolgt über die Oberfläche der Fügeteile. Klebegerecht ist eine Verbindung, wenn sie diese Gesichtspunkte berücksichtigt:

  • wenn sie konstruktiv so gestaltet ist, dass mögliche Krafteinwirkungen auf größere Flächen verteilt werden können,
  • und wenn die Oberflächen klebegerecht sind.

Die Art der Werkstoffe und deren Oberflächenzustand bestimmen die möglichen Festigkeiten. Die Auswahl der Werkstoffe und eventuell nötigen Maßnahmen der Oberflächenvorbereitung für optimale Festigkeiten sollten bereits bei der Planung berücksichtigt werden. Nachdem die Verbindung über die Oberflächen der Fügeteile zustande kommt, sind die Festigkeiten besonders hoch, wenn eine ausreichend große Klebefläche zur Verfügung steht und die Krafteinwirkung sich auf die gesamte Klebefläche verteilen kann. Die höchsten Festigkeiten werden erzielt, wenn die Krafteinwirkung parallel oder genau senkrecht zur Klebefläche erfolgt (Bild 1 a, b und c). Geringe Festigkeiten sind dagegen bei Krafteinwirkungen zu erwarten, bei denen die Kraft sich nicht auf die Fläche verteilen kann, sondern entlang einer Linie einwirkt, beispielsweise bei Einwirkung einer Schäloder Spaltbeanspruchung (Bild 2 a und b). Solche Beanspruchungen müssen deshalb vermieden werden. Dazu ist manchmal nur eine geringe Veränderung der Konstruktion notwendig. Anregungen dazu sind im „Handbuch Konstruktionsklebstoffe“ der Ruderer Klebetechnik zu finden. Beispiele sind aus Bild 3 a, b und c ersichtlich.

Richtungswirkung Klebstoff für Konstruktives Kleben
Beanspruchungsarten einer Klebeverbindung: a Zugscherbeanspruchung, b Druckbeanspruchung, c Zugbeanspruchung.
Konstruktives Kleben mit angezeigter Richtungswirkung für den Klebstoff
Krafteinwirkung entlang einer Linie wie beispielsweise bei einer a Schälbeanspruchung und b bei einer Spaltbeanspruchung.
Der Klebstoff beim Konstruktiven Kleben im Schaubild
Konstruktive Lösungen für sichere Klebeverbindungen: a Vermeidung einer Spaltbeanspruchung, b Gefährdung bei Biegebeanspruchung und c die Verbesserung im Vergleich zu Teilbild b bei Biegebeanspruchung.

Adhäsion und Kohäsion bestimmen die Festigkeit

Kohäsion ist die innere Festigkeit der Klebefuge, unter Adhäsion sind die Bindungskräfte zu verstehen, die an der Grenzfläche Werkstoff/Klebstoff wirken, diese sind für diese Betrachtungen besonders wichtig, weshalb der Beitrag auch darauf beschränkt. Es handelt sich dabei um Bindungen zwischen den Molekülen des Klebstoffes und des Werkstoffes. Dies können entweder physikalische Anziehungskräfte sein oder das Ergebnis einer chemischen Reaktion des Klebstoffes mit der Werkstoffoberfläche (solche Bindungen sind besonders fest). Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • die Art des Werkstoffes und des Klebstoffes müssen zusammenpassen und
  • durch eine Veränderung der physikalisch/chemischen Eigenschaften der Werkstoffoberflächen durch entsprechende Vorbehandlung kann beides passend gemacht werden.

Selbstverständlich müssen störende, haftungsmindernde Schichten (zum Beispiel Oxidschichten oder Rost) oder Verunreinigungen wie Trennmittel, Öl, Fett, Schmutz beseitigt werden, beispielsweise durch Abwaschen mit Lösemitteln, durch Anschleifen oder Sandstrahlen. Auch das Aufbringen einer Zwischenschicht (Primer, Haftvermittler) kann sinnvoll sein ebenso wie eine chemische Behandlung. Reinigen und Anschleifen sind die wichtigsten Methoden, wobei Anschleifen auch durch eine damit verbundene Vergrößerung der Oberflächen fast immer eine Verbesserung darstellt. Zu klären bleibt, ob die Verklebung den möglichen Belastungen standhalten kann. Dazu muss man sich zunächst ein Bild über die Art, die Größe und Dauer auftretender Belastungen machen. Nicht nur mechanische Belastungen sind zu bedenken, sondern auch Belastung durch erhöhte Temperatur, Temperaturwechsel oder die Einwirkung von Wasser oder Chemikalien. Dieses Anforderungsprofil muss in Beziehung gesetzt werden zu dem Eigenschaftsprofil möglicher Klebstoffe.

Belastung mit hohen Temperaturen

Besonders kritisch zu betrachten sind Belastungen mit hohen Temperaturen. Auch wenn der Klebstoff wie beispielsweise Epoxydharz aushärtet und duroplastischen Charakter aufweist, also auch bei relativ hohen Temperaturen nicht mehr plastisch wird, ist die Wärmefestigkeit einer solchen Verklebung begrenzt, weil die Adhäsionskräfte (die Bindungskräfte an der Grenzfläche Werkstoff/Klebstoff) mit zunehmenden Temperaturen geringer werden. Der Anwender findet in technischen Datenblättern häufig Kurven, welche die Abhängigkeit der Zugscherfestigkeit von der Temperatur zeigen. Solche Werte dienen dem Vergleich verschiedener Produkte unter vergleichbaren Bedingungen, sie können jedoch nicht auf praktische Anwendungsfälle übertragen werden, weil deren Bedingungen fast nie damit vergleichbar sind. Für solche Prüfungen werden spezielle Aluminiumlegierungen mit chemischer Vorbehandlung verwendet. Wenn man die obigen Ausführungen zur Adhäsion berücksichtigt, ist klar, dass mit anderen Werkstoffen und Oberflächen auch andere Festigkeitswerte zu erwarten sind. Die Frage: welcher Temperatur kann denn ein verklebtes Teil ausgesetzt werden ohne dass es Schaden leidet, kann nur nach praxisgerechter Überprüfung mit Originalteilen richtig beantwortet werden. Bei Teilen, die später im Einsatz größeren Temperaturschwankungen ausgesetzt sind, kann auch die Größe der Klebefläche bedeutsam sein, insbesondere wenn Materialien mit stark unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten miteinander verbunden werden müssen. Mit steigenden Temperaturen ist auch mit steigenden Spannungen zu rechnen, während gleichzeitig die Bindungskräfte geringer werden. Zur Verringerung von Spannungskräften kann es sinnvoll sein eine elastische Klebfuge zu wählen, die aber nur dann einen Spannungsabbau bewirken kann, ohne zu reißen, wenn eine ausreichende, mehrere Millimeter dicke Klebefuge eingehalten wird.

Konstruktive Verbindungen

Für konstruktive Verbindungen kommen grundsätzlich verschiedene Klebstoffarten in Betracht. Am häufigsten werden dafür Reaktionsklebstoffe (1- oder 2-komponentig) eingesetzt. Diese haben eine Gemeinsamkeit: sie sind im Anwendungszustand flüssig bis pastös und erreichen ihre Festigkeit erst durch eine chemische Reaktion. Dafür wird eine mehr oder weniger lange Zeitspanne benötigt, in der die Fügeteile in ihrer Lage fixiert ruhen müssen bis die gewünschte Weiterbearbeitungsfestigkeit erreicht ist. Es ist deshalb vorteilhaft, wenn die Verbindung konstruktiv so gestaltet werden kann, dass die Teile nach dem Fügen in ihrer Lage bereits fixiert sind. Bedenken sollte man auch den Zusammenhang zwischen der Härtezeit und der Verarbeitungszeit. Wenn nicht warm gehärtet werden kann, sind kurze Härtezeiten nur mit einem schnell reagierenden System mit entsprechend kurzer Verarbeitungszeit möglich. Die Auswahl des richtigen Klebstoffes für einen konkreten Anwendungsfall ist sehr komplex und erfordert viel Erfahrung.

Fazit:

  • Als Verbindungstechniken kommen Klebeverbindungen immer häufiger zur Anwendung
  • Die konstruktive Gestaltung ist für die Haltbarkeit einer Klebeverbindung elementar
  • Die Komplexität einer Klebeverbindung erfordert das Gespräch mit einem Spezialisten

Theo

Theo